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Jan Schüler. Deutsche Landschaft

Pressemitteilung zur Ausstellung in der Galerie Poll, Berlin, 12. Januar bis 25. Februar 2023

Unter dem Titel »Deutsche Landschaft« zeigen die Berliner Galerie Poll und der Kunstverein Langenfeld Arbeiten des Malers Jan Schüler aus den Jahren 2016 bis 2022. Aus Anlass seines 60. Geburtstages ist eine umfangreiche Publikation mit Beiträgen von Marita Keilson-Lauritz, Magdalena Kröner, Nana Poll, Jan Schüler und Gideon Schüler in Vorbereitung. Sie wird während der Ausstellung im Gespräch des Journalisten Jochen L. Stöckmann mit dem Künst­ler vorgestellt.

Während Schüler früher vor allem Personen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis, der Familie sowie Pop-Idole porträtiert hat, malt er seit einigen Jahren Motive aus Städten und Landschaften, die mit der deutschen Geschichte assoziiert werden, aber auch mit persönlichen Erinnerungen und seiner Biografie verknüpft sind.

Dazu gehören die Landschaften seiner Heimat Hessen und des Rheinlands, Städte wie Dresden und Frankfurt am Main als Zentren der deutschen Romantik, Weimar als Gründungsort der ersten deutschen Republik und Wohnsitz Goethes und Schillers, Düsseldorf mit seiner bekannten Akademie, an der Schüler Kunst studierte.

Mit »Berlin« entsteht seit 2017 eine Reihe, in der historische Ereignisse wie der Zusammenbruch des Dritten Reiches, die Teilung der ehemaligen Hauptstadt durch den Bau der Mauer und Szenen der Wiedervereinigung in ihrer Bildwirkung auf das kollektive Gedächtnis dargestellt werden. Als subjektive Einflüsse kommen für den Künstler persönliche Begegnungen hinzu sowie biografische Bezugspunkte durch seinen Großvater und seine Mutter, die in Berlin Kunst studierten. Seit seinem ersten Besuch 1981 ist Berlin für ihn ein Sehnsuchtsort geblieben.

Von den in der Ausstellung gezeigten Arbeiten haben »Blick von der Hohen Leuchte zum Frauenberg (Vater)« von 2019 und »Vater (Blick vom Schiffenberg)« von 2017 autobiografische Bezüge. Jan Schüler holte seinen Vater in den Jahren vor seinem Tod regelmäßig zu Tagesausflügen nach Marburg ab, wo er aufgewachsen war. Am Fuße des Gießener Schiffenbergs ist Gideon Schüler in einem Bestattungswald begraben. »Dresden: Die Elbe bei Schloss Pillnitz« von 2022 oder »Weimar: Blick aus Goethes Wohnhaus in den Garten« von 2022 werden in der Ausstellung Bildmotiven gegenübergestellt wie »Herbstabend in Birkenau« von 2017, »Deutsches Stillleben« von 2016 und »Edek (Treblinka)« von 2019, die nach Schülers Besuchen von KZ-Gedenkstätten entstanden. Aus der Berlin-Reihe sind »Berlin: Abend am Olympiastadion« von 2019 und »Berlin: Abend an der Mauer« von 2021 zu sehen.

Charakteristisch für Schülers Bilder ist seine präzise Malerei, die sich durch glatte Oberflächen und hart voneinander abgegrenzte Formen und Farbflächen auszeichnet. In seinen Menschendarstellungen sowie in seinen Stadtansichten und Landschaften verzichtet er auf Details. Weder Personen, noch Häuser, Laternenmasten, Zäune, Bäume und Wolken werden naturalistisch dargestellt, sondern sind durchweg stark stilisiert. Architekturen und Landschaften bleiben menschenleer, kein Vogel fliegt am Himmel und auf den Flüssen verkehrt kein Schiff. Lediglich Plakatanschläge mit Großaufnahmen menschlicher Gesichter – mal lächelnd, mal mit einer Träne im Auge – deuten darauf hin, dass bei aller technischen Perfektion Gefühle und Erinnerungen des Malers mit im Spiel waren.

Es bleibt also dem Betrachter überlassen, ob er sich auf Abgründe und Untiefen hinter der perfekten Oberfläche einlässt oder Jan Schülers Malerei in ihrer Schönheit auf sich wirken lässt. In dieser Doppelgesichtigkeit, in der zart angedeuteten Fragilität ihrer scheinbar bruchlosen Ästhetik liegt der Reiz der Bilder.

Nana Poll, Berlin 2023

 

Jan Schüler. Malerei

Pressemitteilung zur Ausstellung im Oberhessischen Museum, Gießen, 2. September bis 31. Oktober 2004

Die Landschaften und Portraits von Jan Schüler erscheinen monumental. Nichts verliert sich im Detail, alles ist kräftig und eindeutig gefügt von einer konstantinischen Eindringlichkeit. Man sieht nicht das Haar, sondern Haarwülste, Haarbänder. Alles ist groß gesehen und wie auf Fernsicht bedacht.

Diese emblematische Qualität schafft aus jeder Landschaft, aus jedem Portrait ein Sinnbild, unterstützt durch Attribute, Symbole, Kennzeichen; das können Blumen, Tiere oder Etiketten sein. Auch der Mensch selbst wird zum Attribut der Landschaft oder des anderen.

Das Gefügte der Köpfe und Körper bis in das Geäst der Achselbehaarung, die geschnitzten Flußlandschaften, das Sofa des Mundes, das zum Verweilen einlädt, die Muskelstränge und die Plateaus der Nasenspitzen, das Leuchten der Augäpfel, die Gliederung durch Licht und Schatten, führen die Feinmalerei Jan Schülers zu einer überzeitlichen Gültigkeit. Dazu tragen auch die Gesten bei, die Ausschnitthaftigkeit, der undefinierte Raum.

Trotz ihrer Verhaltenheit besitzen die Bilder eine kraftvolle Ausstrahlung. Dies liegt auch daran, weil der Gehalt der Dinge und Teile wichtiger ist als das Subjektive, weil alle Teile und Dinge auf ein Bedeuten außerhalb des Subjektiven oder des Individuellen zielen. Die Kurzatmigkeit unserer Zeit ist zur Ruhe gebracht.

So verwandelt sich ein »Blumenmädchen« zu einer magischen Göttin des Blühens, zu etwas Absolutem. Klar und ohne Irritation, ästhetisch und feierlich sind diese Bilder, Leitsterne zu einem Ideal: Innenschau, Traum und Ziel.

Friedhelm Häring, Gießen 2004